Ausstellung
20. June 2020

Vom Erzählen erzählen: Kunst & Kuratieren als Storytelling

Mit Kaja Clara Joo | Dejan Kaludjerovic? | Marlene Lahmer | Estefani?a Pen?afiel Loaiza | Nazanin Mehraein | Lara Reichmann | Hector Schofield | Nedko | Solakov | Kai Trausenegger | Kay Walkowiak | Ramiro Wong

Ein Projekt von Klaus Speidel und TransArts

Eröffnung: Donnerstag, 4. Juni 2020, 17 bis 19 Uhr
Ausstellung: 5. Juni bis 20. Juni 2020

Kurator*innenfu?hrung am Donnerstag, 4. Juni 2020, um 18 Uhr, Freitag, 5. Juni 2020, um 16 Uhr und am Samstag, 6. Juni 2020 um 14 Uhr.

In einer Zeit, in der Geschichten religiöser Berufung zu Radikalisierung führen, konkurrierende Erzählungen über Gebietsansprüche zum Vorwand für Kriege werden – ob auf der Krim, in Palästina oder anderswo – und Bedrohungserzählungen extremistische Mörder motivieren, ist es kritisch notwendig, zu untersuchen, wie sich Geschichten zu Fakten und Identitäten verhalten. Der relativ geschützte Bereich der zeitgenössischen Kunst ist dabei ein idealer Ort, um Abstand zu nehmen und die Erzählungen, die uns umgeben, zu reflektieren anstatt vehement eine Geschichte gegen alle ihre Alternativen zu verteidigen.
Genau das tun die Ausstellungen „PANTS ON FIRE. Art and other fictions“; „TO BE CONSUMED BY. Stories to chew on, stories to choke on” und “ICH UND WELT. Post___ (I’m)possibilities”. Sie sind das Ergebnis eines Projektes, das im Oktober 2019 von Klaus Speidel unter dem Titel Narrating Narrativity: The artist & curator as a storyteller in der TransArts Klasse der Universität für Angewandte Kunst Wien initiiert wurde.
Welche politischen und sozialen Funktionen hat das Geschichtenerzählen? Wie verwandeln sich Fakten in Erzählungen? Wie bestimmen Erzählungen Identitäten ? und andersherum? Ist in der zeitgenössischen Kunst noch Platz für‘s Geschichtenerzählen? Inwiefern funktionieren Ausstellungen selbst wie Erzählungen? Können mehrere kuratorische Erzählungen gleichermaßen mit einer Auswahl künstlerischer Arbeiten korrespondieren?
Die drei Ausstellungen in den Krinzinger Projekten vereinen Arbeiten, die versuchen Antworten auf diese Fragen zu geben. Sie laden die Besucher*innen ein, über Erzählungen in der Kunst, dem Kuratieren und der Welt im Allgemeinen nachzudenken.
Dass es möglich ist, drei überzeugende Ausstellungen mit denselben Werken zu kuratieren, zeigt, dass Ausstellungen nicht allein aus Objekten in Räumen bestehen. Ein und dasselbe Ensemble von Objekten in derselben räumlichen Anordnung kann eine Vielzahl an Ausstellungen sein.
Als Philosoph und Kurator hat sich Klaus Speidel bereits zweimal auf die Konsequenzen dieser Idee eingelassen – erstmals beim Kuratieren der Medienausstellung „Bloody Pictures. Vom Bild zur Spur“ im März 2019 innerhalb der bereits bestehenden Ausstellung „Zeig mir deine Wunde“ im Dom Museum Wien und ein weiteres Mal beim simultanen Kuratieren dreier Ausstellungen mit dem Titel „Fragile Narratives“ im Juni 2020 im Kunstraum Memphis in Linz. „Narrating Narrativity“ ist der nächste logische Schritt in dieser Auseinandersetzung, denn hier wird die Autorschaft der kuratorischen Narrative zu einer kollektiven. Dabei wird jedes Kunstwerk dreimal unterschiedlich kontextualisiert und erzählt, bzw. erklärt und die Bedeutungshoheit des /der Kurator*in solchermaßen infrage gestellt.
Durch das Verorten aller Werke in mindestens drei Erzählungen dekonstruiert „Narrating Narrativity“ die Fiktion des einzig richtigen kuratorischen Narrativs. Und wo es drei Lesarten gibt, könnte es auch vier, fünf, oder mehr geben. Schließlich legen Kunstwerke ihre Interpretation noch weniger fest als andere Dinge und Fakten und sind deshalb kompatibel mit einer Vielzahl verschiedener Lesearten. Die Tatsache, dass es möglich ist, drei konsistente, aber absolut verschiedene Ausstellungen mit derselben Auswahl an künstlerischen Arbeiten zu verwirklichen, wirft die Frage nach der Position von Kurator*innen und Geschichtenerzähler*innen aller Art auf: Die Dinge erzählen, wie sie wirklich sind (oder waren) – das Versprechen von Populist*innen allerorts – ist ein unmittelbarer Widerspruch. Denn man kann nicht erzählen, ohne zu interpretieren – und Kuratieren heißt erzählen.
Im Lichte der Vereinfachungen, die Politiker*innen und Ideolog*innen uns – auch in Zeiten der Pandemie – vermitteln als seien sie die ganze Wahrheit, ist der Entwurf von instabilen Narrativen und das Entwickeln von multiplen Interpretationen der gleichen künstlerischen Gegebenheiten eine politische Entscheidung. Indem „Narrating Narrativity“ verschiedene Formen und Probleme der Narration künstlerisch thematisiert, gibt die Ausstellung Anstoß, auch außerhalb des Ausstellungsraums vorherrschende Erzählungen und singuläre Perspektiven zu hinterfragen.

Klaus Speidel, Dr. Phil. ist ein Kritiker, Kurator und Associated Researcher am Labor für empirische Bildwissenschaft (CReA) an der Uni Wien. Narration steht im Zentrum seiner Forschung seit seiner Doktorarbeit. Er schreibt Texte in Kunst- und Bildtheorie, sowie Kunstkritiken für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Standard, Spike, Art Newspaper und Parnass und in Akademischen Publikation. Die meisten davon finden sich hier: klausspeidel.de

Info

Krinzinger Projekte, Schottenfeldgasse 45, 1070 Wien

 

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